Die Beutel und Flaschen an meinem Infusionsständer kommen und gehen. Ganz regelmäßig hängen die Flaschen mit Kochsalzlösung und sorgen für das nötig Müssen müssen, um die Chemikalien auch wieder auszuscheiden. Andere Beutel sind durch die roten Etiketten gekennzeichnet, die meinen Namen und Geburtsdatum tragen - weitere Substanzen zur Chemotherapie. Selbst auf Anfrage zeigt sich der Stationsarzt wenig geneigt, mir die Wirkung näher zu erläutern. Dem Nicht-Mediziner fehlt das Fachwissen, um die komplizierten Zusammenhänge zu erkennen. “Erstaunliche Wissenschaft!” kann der Laie nur sagen. Die marodierenden Krebszellen sind durch ihr schnelles und unkontrolliertes Wachstum anfälliger als gesunde Körperzellen. Diesen mitunter nur kleinen Unterschied nutzt die Chemotherapie aus. Es werden Gifte in gerade der Dosis verabreicht, die der Körper noch ertragen kann, die den Krebszellen aber den Garaus machen. Kollateralschäden werden in Kauf genommen.
Was macht die Chemotherapie mit dir? So werde ich oft gefragt. Sie macht mich krank. Ich kam mit einiger Energie in das Krankenhaus. Im Hinterkopf hatte ich den Gedanken, ich könnte die Zeit während der endlosen Infusionen nutzen um e-mails zu beantworten und im Internet nachzulesen auf den einschlägigen Seiten über Krebs und Lymphome. Doch es kam anders. Die allererste Spritze enthielt ein Beruhigungsmittel, das eventuelle allergische Reaktionen abmildern soll - mit durchschlagendem Erfolg. Mir zog es die Augen zu und ich bekam von dem Rest des Tages nicht mehr viel mit.
Mit jeder Infusion werden die Lebensgeister brüchiger. Ich muss am Morgen schon mit mir ringen, dass ich aufstehe und über den Gang schleiche zur Dusche, bevor die Schwester mit der ersten Infusion kommt. Ich habe kaum die Kraft, ein paar Seiten zu lesen oder den Fernseher anzuschalten. Gegen Ende der Woche kommt noch Übelkeit hinzu. Zwar wird sofort ein Medikament an meinen Infusionsständer gehängt, das den Brechreiz erfolgreich bekämpft. Das Essen schmeckt trotzdem nicht. Ich kann noch nicht einmal an Essen denken und verbanne alles Essbare aus meinem Nachttisch. Im Krankenhaus wird keiner gesund. Diese Feststellung beschreibt eine Woche stationäre Chemotherapie durchaus zutreffend - zumindest kurzfristig gesehen.
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