Im Warteraum der Onkologischen Ambulanz in Sindelfingen treffen sich Bekannte. Entweder man hat mal auf dem Flur der Krebsstation mit den Leuten geredet und Erfahrungen ausgetauscht oder sogar einmal ein Zimmer geteilt. Irgendwann kommen sie alle wieder her für Blutkontrollen oder ambulante Chemos. Und wieder werden die neuesten Wendungen der Leidensgeschichten ausgetauscht. Langsam habe ich keine Lust mehr, meine Geschichte erneut zu erzählen oder mir eine Geschichte anzuhören und verkrieche mich hinter mein Buch.
Dann bin ich dran. Die Blutentnahme dauert keine fünf Minuten und dank meiner PICC-Line werde ich nicht einmal gestochen. Dann heißt es wieder eine halbe Stunde warten bis die Ergebnisse aus dem Labor da sind. Als die Schwester mit dem Blatt mit den Ergebnissen kommt, gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht. Ja, meine Blutwerte steigen wieder, das Tief ist überwunden und ich darf nach Hause fahren für die nächsten anderthalb Wochen. Allerdings dümpeln die roten Blutkörperchen noch auf so niedrigem Niveau, dass der Arzt eine erneute Bluttransfusion angeordnet hat. Also geht es nach Hause, aber nicht gleich. Ich schicke den Taxifahrer nach Hause und vereinbare mit Claudia, dass sie mich heute Nachmittag in der Klinik abholt mit gepacktem Auto, sodass wir dann gleich weiter fahren können. In der Kantine hole ich mir noch schnell einen Bissen für das Mittagessen und dann sitze ich wieder und warte. Inzwischen sind meine Leidensgenossen alle verschwunden und ich bin mit dem riesigen TV-Bildschirm an der Wand allein - und mit meinem Buch. Nach ganzen zwei Stunden kommen die Blutkonserven endlich an. Und dann dauert es nochmal fast drei Stunden, bis die zähe rote Flüssigkeit in meine Adern gelaufen ist.
Kaum bin ich raus aus der Klinik, kommt Claudia um die Ecke gebraust, das Auto fast bis unter das Dach vollgepackt. Wir fahren zunächst einen Baby-Ausstatter an in der Nähe von Ulm. Es geht um Kindersitze. Unsere Beiden recken ihre Köpfe inzwischen verdächtig über die Babyschale hinaus, wodurch die Zeiten der bequemen “Verpackung” der Babies mit Tragegriff zu Ende gehen. Ich lerne kräftig dazu in Sachen Kindersitze der Klassen eins bis drei und Sicherheitsstandards und ab welchem Gewicht und Körpergröße welche Sitze dran sind usw. Unglaublich, was man sich heutzutage für Festungen auf die Rücksitzbank schnallt, damit die Kinder mit gutem Gewissen mitgenommen werden können. Da fühlt man sich an Bilder von der NASA erinnert. Ob die Industrie hier Geld macht mit den Sorgen der Eltern und immer neue und teurere Modelle in den Markt drückt? Ob es demnächst auch Baby-Airbags geben wird? Immerhin zeigt uns der freundliche Händler auch ein simpleres aber - wie er sagt - völlig veraltetes Modell. Er kann den Sitz nicht empfehlen - klar. Andererseits ist in diesen Sitzen auch eine ganze Generation von Kindern Auto gefahren. Kann man auch hier sagen: Weniger ist mehr? Gut, wir danken herzlich für die Beratung, sind unentschieden und verabschieden uns. Claudia, wird ihre neuen Einblicke bei der Suche im Internet zur Anwendung bringen...
Die letzten 10 Kilometer bis nach Hause fahren wir mit schreienden Kindern auf dem Rücksitz. Hoffentlich hat von den Nachbarn keiner zugehört, als wir die übermüdeten Kleinen schnell in die Wohnung tragen. Endlich mal wieder zu Hause im Allgäu - so Gott will sogar für mehr als eine Woche.
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