Der Besuch ist abgereist. Der Weihnachtsschmuck wird verpackt. Die Zweige unseres Weihnachtsbaums dienen zum Anheizen. Der Weihnachtstrubel ist vorbei. Das neue Jahr hat begonnen.
Es liegt nichts an. Im Terminkalender herrscht gähnende Leere. Und ich genieße das. Das ist seltsam. Zeigt sich so das neue Lebensgefühl nach einer noch nicht ganz überstandenen Krankheit? Keine Sehnsucht nach Trubel. Kein Tatendrang. Ich genieße einfach die Ruhe. Da machen sich die Narben der Chemotherapie bemerkbar.
Der Zustand wird noch ein Vierteljahr anhalten, sagen die Ärzte. So lange noch muss ich rechnen, bis ich wieder an das Arbeitsleben denken kann. Die Formel lautet ganz einfach: für die Rekonvaleszenz muss so viel Zeit eingeplant werden, wie die Chemotherapie in Anspruch genommen hat.
Was werde ich tun bis zu Ostern? Nun, mir wird die Zimmerdecke nicht auf den Kopf fallen. Mein Schreibtisch steht ja noch da und auf dem türmen sich Stapel von ungelesenen Zeitschriften und Büchern. Ich könnte mich mal so richtig in die Fachliteratur vertiefen. Doch bisher fallen die Augen zu schnell zu beim Lesen. Dann beschäftige ich mich mit meinen Hobbys, die zum guten Teil auf dem Bildschirm meines Computers ablaufen. Meine Frau mahnt, ich soll endlich mal die Lücken am Anfang meines Blogs auffüllen. Entwürfe habe ich noch einige auf meinem Computer. Aber wird noch jemand zurück gehen an den Anfang meines Blogs und dort nachlesen?
Zum neuen Jahr hat man mir Gesundheit gewünscht: “Vor allem Gesundheit, das ist das Wichtigste!” Einerseits hat das vergangene Jahr schmerzlich daran erinnert, wie viel Wahrheit in diesem Wunsch steckt. Was nützen Erfolg, Wohlstand, vielleicht so gar der eine oder andere Luxus? Eine entartete Zelle im Blut reicht. Wenn das Immunsystem diese nicht auszuschalten vermag, dann kann auch das glücklichste oder erfolgreichste Leben schnell zu Ende gehen.
So bringt “Vor allem Gesundheit - das ist das Wichtigste!” andererseits trübe Gedanken. Dieser Wunsch kann so schnell ins Leere laufen wie die vielen guten Vorsätze für das neue Jahr. Wenn Gesundheit vor allem geht, dann fährt mein Leben bereits auf dem Abstellgleis. Meine Gesundheit ist ruiniert. Gut, durch die Kunst der Ärzte habe ich Aufschub bekommen - vielleicht 15 Jahre, vielleicht noch länger. Womöglich reicht die Verlängerung auch nur für wenige Jahre. Doch eins steht fest. “We are all terminal! - Wir sind alle unheilbar krank.” So wird “Dr. Tod” Jack Kevorkian zitiert - ein amerikanischer Arzt, der für aktive Sterbehilfe eintritt und sich wiederholt vor Gericht verantworten musste. In dem einen muss man ihm Recht geben. Wir alle sind unheilbar Kranke. Die Sterberate liegt bei genau 100%. Mit dem Blick auf die Gesundheit wird das neue Jahr nicht mehr als nur eine weitere Etappe im Kampf, das Unvermeidbare hinauszuzögern. “Vor allem Gesundheit!” - das ist ein Rezept zum verzweifeln.
Es muss mehr geben. Da muss es ein Lebensziel geben, das von der persönlichen Gesundheit nicht abhängt. Künstler schaffen für den Ruhm, den die Nachwelt ihren Werken zollen wird. Politiker kämpfen für ihren Platz in den Geschichtsbüchern. Aber ich, was treibt mich voran? Es muss eine Hoffnung geben, die sich von dem sicheren Ende nicht trüben lässt. Es muss eine Hoffnung geben über die Gebrechlichkeit dieses Lebens hinaus. Der, der “tetelestai” ausgerufen hat, gibt diese Hoffnung. Vor allem Hoffnung! - das wünsche ich allen für 2011.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Herzichen Dank für Ihren / Deinen Kommentar.
Unten unter "Kommentar schreiben als:" am besten "Name/URL" auswählen. Aus Sicherheitsgründen wird der Kommentar mitunter nicht sofort angezeigt.