Sonntag, 20. Juni 2010
Samstag, 19. Juni 2010
Alles über Lymphome
… kann und braucht man als Erkrankter und Angehöriger nicht zu wissen. Doch für den interessierten Leser ein paar Daten und Fakten.
Während Jonas im Krankenhaus mangels WLAN und aufgrund seines schlechten Allgemeinzustandes nicht auf die Suche gehen konnte, machte ich mich kundig.
Ich hatte in eine Suchmaschine die Symptome „Nachtschweiß, Fieber, Gewichtsverlust, Leber“ eingegeben und war dabei sehr schnell darauf gestoßen, dass die Kombination dieser Symptome als sog. B-Symptomatik v.a. bei Krebserkrankungen auftritt. Nur wenige Klicks weiter stieß ich auf den Begriff „Lymphom“ und was ich da las, kam mir bekannt vor.
Ich bat um ein Gespräch mit der Ärztin in Nagold und stellte dieser direkt die Frage: „Hat mein Mann Krebs?“ Als Antwort bekam ich zu hören: „Das würden wir in diesem frühen Stadium der Diagnostik noch nicht so deutlich sagen, aber wenn Sie so direkt fragen: Ja, wir vermuten es.“
Da war sie, die Diagnose - zumindest für mich war sie das. Jonas erzählte ich nichts davon, wollte ihn nicht vor der Zeit verunsichern, auch den Ärzten nicht vorgreifen. Erst 2 Tage später sollte er eine erste Diagnose erhalten, verbunden mit der Verlegung auf die Onkologie nach Sindelfingen zur detaillierten Abklärung.
Doch was ist nun ein Lymphom?
Dieser Sammelbegriff bezeichnet alle Lymphknotenvergrößerungen und Tumore des Lymphgewebes, seien sie gut- oder bösartig.
Bei den bösartigen Lymphomen wird zwischen chronischen und malignen unterschieden.
Während die chronischen Lymphome und Leukämien nur sehr langsam wachsen und mit Medikation gut im Griff zu halten sind, wird unter dem Begriff "maligne Lymphome" eine Gruppe von bösartigen Erkrankungen zusammengefasst, bei denen es zu einer raschen und unkontrollierten Vermehrung von Zellen des lymphatischen Systems kommt. Das lymphatische System dient normalerweise der Abwehr von Krankheitserregern und findet sich in Lymphknoten, aber auch in der Milz, in den Mandeln, im Knochenmark und in vielen anderen Organen. In vielen Fällen ist daher die Schwellung eines Lymphknotens ein typisches sichtbares Zeichen dieser Erkrankung, manchmal können die Erkrankungen aber auch in anderen Organen auftreten.Bei Jonas waren in Leber, Magen und Knochenmark entartete Zellen nachzuweisen, die Lymphknoten waren ohne Befund.
Maligne Lymphome sind keine einheitliche Gruppe von Erkrankungen. Man unterscheidet mindestens 30 Unterarten. Es gibt eine aktuelle Klassifikation der World Health Organization (WHO), die aber ständig erneuert und erweitert wird.
Maligne Lymphome werden in Morbus Hodgkin und Non-Hodgkin-Lymphome unterteilt. Weitere Informationen sind beim Kompetenznetz Maligne Lymphome , dem Comprehensive Cancer Center Ulm , dem Krebsinformationsdienst , Wikipedia und an vielen anderen Stellen im Internet zu finden.
Nach mehreren Untersuchungen war klar, dass Jonas ein aggressives (d.h. hochmalignes) Non-Hodgkin-Lymphom im Stadium IV hat, d.h. das Knochenmark befallen ist. Die genetische Untersuchung der Krebszellen in einem Labor in München ergab als genauere Diagnose eine seltene Mischform von diffus großzelligem B-Zell-Lymphom und dem in unseren Breiten eher seltenen Burkitt-Lymphom.
Der Chefarzt der Onkologie in Sindelfingen meinte, Jonas hätte wohl Weihnachten nicht erlebt, wäre die Diagnose nur etwas später gestellt worden. Auch mit der Chemotherapie dürfe keine weitere Zeit verloren werden, weil sich die bösartigen Zellen mit jedem Tag mehr ausbreiten. Von der ersten entarteten Zelle bis zum Ausbruch im Mai 2010 und dem kritischen Zustand waren nur etwa 18 Monate vergangen, so vermutete der Arzt. - Die gute Nachricht war, dass so aggressive Lymphome gerade wegen ihres schnellen Zellwachstums sehr gut durch eine Chemotherapie zu behandeln sind.
Claudia
Während Jonas im Krankenhaus mangels WLAN und aufgrund seines schlechten Allgemeinzustandes nicht auf die Suche gehen konnte, machte ich mich kundig.
Ich hatte in eine Suchmaschine die Symptome „Nachtschweiß, Fieber, Gewichtsverlust, Leber“ eingegeben und war dabei sehr schnell darauf gestoßen, dass die Kombination dieser Symptome als sog. B-Symptomatik v.a. bei Krebserkrankungen auftritt. Nur wenige Klicks weiter stieß ich auf den Begriff „Lymphom“ und was ich da las, kam mir bekannt vor.
Ich bat um ein Gespräch mit der Ärztin in Nagold und stellte dieser direkt die Frage: „Hat mein Mann Krebs?“ Als Antwort bekam ich zu hören: „Das würden wir in diesem frühen Stadium der Diagnostik noch nicht so deutlich sagen, aber wenn Sie so direkt fragen: Ja, wir vermuten es.“
Da war sie, die Diagnose - zumindest für mich war sie das. Jonas erzählte ich nichts davon, wollte ihn nicht vor der Zeit verunsichern, auch den Ärzten nicht vorgreifen. Erst 2 Tage später sollte er eine erste Diagnose erhalten, verbunden mit der Verlegung auf die Onkologie nach Sindelfingen zur detaillierten Abklärung.
Doch was ist nun ein Lymphom?
Dieser Sammelbegriff bezeichnet alle Lymphknotenvergrößerungen und Tumore des Lymphgewebes, seien sie gut- oder bösartig.
Bei den bösartigen Lymphomen wird zwischen chronischen und malignen unterschieden.
Während die chronischen Lymphome und Leukämien nur sehr langsam wachsen und mit Medikation gut im Griff zu halten sind, wird unter dem Begriff "maligne Lymphome" eine Gruppe von bösartigen Erkrankungen zusammengefasst, bei denen es zu einer raschen und unkontrollierten Vermehrung von Zellen des lymphatischen Systems kommt. Das lymphatische System dient normalerweise der Abwehr von Krankheitserregern und findet sich in Lymphknoten, aber auch in der Milz, in den Mandeln, im Knochenmark und in vielen anderen Organen. In vielen Fällen ist daher die Schwellung eines Lymphknotens ein typisches sichtbares Zeichen dieser Erkrankung, manchmal können die Erkrankungen aber auch in anderen Organen auftreten.Bei Jonas waren in Leber, Magen und Knochenmark entartete Zellen nachzuweisen, die Lymphknoten waren ohne Befund.
Maligne Lymphome sind keine einheitliche Gruppe von Erkrankungen. Man unterscheidet mindestens 30 Unterarten. Es gibt eine aktuelle Klassifikation der World Health Organization (WHO), die aber ständig erneuert und erweitert wird.
Maligne Lymphome werden in Morbus Hodgkin und Non-Hodgkin-Lymphome unterteilt. Weitere Informationen sind beim Kompetenznetz Maligne Lymphome , dem Comprehensive Cancer Center Ulm , dem Krebsinformationsdienst , Wikipedia und an vielen anderen Stellen im Internet zu finden.
Nach mehreren Untersuchungen war klar, dass Jonas ein aggressives (d.h. hochmalignes) Non-Hodgkin-Lymphom im Stadium IV hat, d.h. das Knochenmark befallen ist. Die genetische Untersuchung der Krebszellen in einem Labor in München ergab als genauere Diagnose eine seltene Mischform von diffus großzelligem B-Zell-Lymphom und dem in unseren Breiten eher seltenen Burkitt-Lymphom.
Der Chefarzt der Onkologie in Sindelfingen meinte, Jonas hätte wohl Weihnachten nicht erlebt, wäre die Diagnose nur etwas später gestellt worden. Auch mit der Chemotherapie dürfe keine weitere Zeit verloren werden, weil sich die bösartigen Zellen mit jedem Tag mehr ausbreiten. Von der ersten entarteten Zelle bis zum Ausbruch im Mai 2010 und dem kritischen Zustand waren nur etwa 18 Monate vergangen, so vermutete der Arzt. - Die gute Nachricht war, dass so aggressive Lymphome gerade wegen ihres schnellen Zellwachstums sehr gut durch eine Chemotherapie zu behandeln sind.
Claudia
Freitag, 18. Juni 2010
Verlegung auf die Onkologie / Hämatologie nach Sifi
Der junge Herr in exakt geschnürten Stiefeln und der Montur des Rotkreuz Rettungsdienstes, der mir im Krankenwagen gegenüber sitzt, entpuppt sich als Berufssoldat. Für seine Ausbildung als Rettungssanitäter in der Bundeswehr, wurde er zum Roten Kreuz geschickt. Ich sitze in einem viel zu kleinen Rollstuhl, der neben die Trage und die vielen medizinischen Geräte in den Wagen gezwängt wurde. Am liebsten würde ich es mir auf der Trage gemütlich machen. Aber ich weiß ja, ein Liegendtransport kostet mindestens das Dreifache. Wenn die Reise schon nach Sindelfingen geht, wäre der Ledersitz eines Taxis mit dem Stern die bequemste Lösung gewesen.
Mein Begleiter vertreibt sich die Langeweile, indem er mich in ein Gespräche verwickelt. Diagnose Krebs, damit kann er nicht viel anfangen. Ob er auch nach Afghanistan in den Einsatz geschickt werden wird, frage ich. Damit ist nach Abschluss seiner Ausbildung zu rechnen. Er erzählt mir, wie in der Truppe motiviert wird und auch, wie wenig die Soldaten in der Gesellschaft geachtet werden. Da soll es linke Gruppierungen geben, die das alte Sprichwort anders verstehen: “Feste feiern, wie sie fallen!” Immer, wenn die Nachricht von gefallenen Soldaten eintrifft, wird feste gefeiert. Was bewegt einen jungen Mann, diesen Dienst anzustreben?
Der Blick durch die schmalen Fensterschlitze verrät, dass wir die Autobahn inzwischen verlassen haben. Es geht noch durch eine Vorortsiedlung und dann hinab wie in die Tiefgarage. Die Krankenhausumgebung hat mich wieder: Notaufnahme, Rolltore, Aufzüge. Auf Station geben sich die Schwestern zunächst überrascht. So schnell hätten sie nicht mit mir gerechnet. Mein Begleiter versucht, ein verbindliches Wort zum Abschied zu finden. “Sie werden ihren Weg schon finden!” Genau, das war das Lebensgefühl Anfang Zwanzig. Ich bin versucht zu denken, dass mein Weg zu Ende geht und dass andere jetzt den Rest bestimmen. Zimmer 107 legt die Krankenschwester fest.
Mein Begleiter vertreibt sich die Langeweile, indem er mich in ein Gespräche verwickelt. Diagnose Krebs, damit kann er nicht viel anfangen. Ob er auch nach Afghanistan in den Einsatz geschickt werden wird, frage ich. Damit ist nach Abschluss seiner Ausbildung zu rechnen. Er erzählt mir, wie in der Truppe motiviert wird und auch, wie wenig die Soldaten in der Gesellschaft geachtet werden. Da soll es linke Gruppierungen geben, die das alte Sprichwort anders verstehen: “Feste feiern, wie sie fallen!” Immer, wenn die Nachricht von gefallenen Soldaten eintrifft, wird feste gefeiert. Was bewegt einen jungen Mann, diesen Dienst anzustreben?
Der Blick durch die schmalen Fensterschlitze verrät, dass wir die Autobahn inzwischen verlassen haben. Es geht noch durch eine Vorortsiedlung und dann hinab wie in die Tiefgarage. Die Krankenhausumgebung hat mich wieder: Notaufnahme, Rolltore, Aufzüge. Auf Station geben sich die Schwestern zunächst überrascht. So schnell hätten sie nicht mit mir gerechnet. Mein Begleiter versucht, ein verbindliches Wort zum Abschied zu finden. “Sie werden ihren Weg schon finden!” Genau, das war das Lebensgefühl Anfang Zwanzig. Ich bin versucht zu denken, dass mein Weg zu Ende geht und dass andere jetzt den Rest bestimmen. Zimmer 107 legt die Krankenschwester fest.
Mittwoch, 16. Juni 2010
Dienstag, 8. Juni 2010
In der Notaufnahme - die Station der Deplatzierten
Drei Betten, drei Männer um die 50, drei Schicksale wurden zusammen gesteckt in ein Zimmer der Notaufnahme. Wir reden nicht viel miteinander. Jeder versucht sich mit der neuen Situation irgendwie zurecht zu finden und keiner fühlt sich hier wirklich am rechten Platz. Der Herr am Fenster war gerade damit beschäftigt, das Büro seiner Firma in ein größeres Gebäude umzuziehen. Das klingt nach Erfolg. Doch in der Hektik bekam er Durchfall und dann einen Kreislaufzusammenbruch. Jetzt sitzt er auf seinem Bett und schaut zum Fenster hinaus. Vermutlich sortiert er in Gedanken seine Aktenschränke oder geht seine Kundenlisten durch. Die Ärzte werden seinem Kreislauf bald wieder auf die Sprünge helfen. Vielleicht genießt er die Auszeit sogar.
In der Nacht räumen die Schwestern High-Tech Apparaturen an das mittlere Bett. Ein etwas beleibter Herr zieht ein. Ein Stechen in der Brust und Atemnot haben ihn in die Notaufnahme gebracht. Doch es war kein Herzinfarkt - noch nicht. Der Kreislauf muss beobachtet werden. Am nächsten Morgen wird sein Handy nicht kalt. Irgendwo sitzt sein Sohn am Computer und bekommt e-mails diktiert. Jemand anderes muss Telefonnummern heraussuchen. Termine werden geändert und Absprachen getroffen. Es wird ja bald weiter gehen, das normale Leben. Da lässt man sich durch so einen Zwischenfall nicht aus der Bahn werfen. Schließlich wird es doch nichts mit der schnellen Entlassung. Er wird verlegt in ein anderes Krankenhaus. Da ist wohl doch eine OP fällig.
Und was ist mit mir? Ich greife auch zum Handy und sage erstmal den Englisch-Unterricht für nächste Woche ab. Auch der Gottesdienst in München muss wohl abgesagt werden. Warum konnte dieser dumme Virus, oder was immer den Grund der Krankheit ausmacht, nicht wenigstens noch die eine Woche warten. In Gedanken bin ich bei den Vorlesungen in der Ukraine. Danach wäre ja eher Zeit gewesen für eine Heilbehandlung. Wenn das Leben so schön läuft, muss man doch nicht in der Notaufnahme die Zeit absitzen.
Bei der Visite blättert der Arzt durch meine noch dünne Akte und besieht sich die Daten. Gedankenversunken wippt er auf den Zehenspitzen und sagt nichts. Morgen wird mit einer Reihe Untersuchungen begonnen. Später erfahre ich, dass ein Blutwert, der normal bei 150 bis 250 liegen soll, bereits auf über 3000 gestiegen war. Das deutet auf einen extrem überhitzten Stoffwechsel hin. Ob dem Arzt schon klar war, dass dies als Anzeichen für marodierende Krebszellen zu werten ist?
Ein älterer Herr bezieht das mittlere Bett. Er kann seit Tagen nichts mehr essen. Gerade noch verhandelt er mit dem Arzt, ob er seine Unterschrift unter die Risikobelehrung für eine Magenspiegelung setzt. Eigentlich wollte er sich solchen Unannehmlichkeiten nicht aussetzen. Dann kommen die Ergebnisse vom CT. Eine Notoperation ist angesagt, die einen Darmverschluss beheben muss. Hektisch wird er auf die OP vorbereitet. Zwischendurch kommt über die Lautsprecheranlagen die Durchsage “Nordpol Zi 271!”. Die Ärzte und Schwestern lassen alles stehen und liegen und stürmen los. Später erzählt man sich auf Station, dass die Hilfe zu spät kam. Ein Patient konnte nicht reanimiert werden. Die Familie war gerade zu Besuch gewesen. Im Krankenhaus kommen sich Tod und Leben näher als sonst.
In der Nacht räumen die Schwestern High-Tech Apparaturen an das mittlere Bett. Ein etwas beleibter Herr zieht ein. Ein Stechen in der Brust und Atemnot haben ihn in die Notaufnahme gebracht. Doch es war kein Herzinfarkt - noch nicht. Der Kreislauf muss beobachtet werden. Am nächsten Morgen wird sein Handy nicht kalt. Irgendwo sitzt sein Sohn am Computer und bekommt e-mails diktiert. Jemand anderes muss Telefonnummern heraussuchen. Termine werden geändert und Absprachen getroffen. Es wird ja bald weiter gehen, das normale Leben. Da lässt man sich durch so einen Zwischenfall nicht aus der Bahn werfen. Schließlich wird es doch nichts mit der schnellen Entlassung. Er wird verlegt in ein anderes Krankenhaus. Da ist wohl doch eine OP fällig.
Und was ist mit mir? Ich greife auch zum Handy und sage erstmal den Englisch-Unterricht für nächste Woche ab. Auch der Gottesdienst in München muss wohl abgesagt werden. Warum konnte dieser dumme Virus, oder was immer den Grund der Krankheit ausmacht, nicht wenigstens noch die eine Woche warten. In Gedanken bin ich bei den Vorlesungen in der Ukraine. Danach wäre ja eher Zeit gewesen für eine Heilbehandlung. Wenn das Leben so schön läuft, muss man doch nicht in der Notaufnahme die Zeit absitzen.
Bei der Visite blättert der Arzt durch meine noch dünne Akte und besieht sich die Daten. Gedankenversunken wippt er auf den Zehenspitzen und sagt nichts. Morgen wird mit einer Reihe Untersuchungen begonnen. Später erfahre ich, dass ein Blutwert, der normal bei 150 bis 250 liegen soll, bereits auf über 3000 gestiegen war. Das deutet auf einen extrem überhitzten Stoffwechsel hin. Ob dem Arzt schon klar war, dass dies als Anzeichen für marodierende Krebszellen zu werten ist?
Ein älterer Herr bezieht das mittlere Bett. Er kann seit Tagen nichts mehr essen. Gerade noch verhandelt er mit dem Arzt, ob er seine Unterschrift unter die Risikobelehrung für eine Magenspiegelung setzt. Eigentlich wollte er sich solchen Unannehmlichkeiten nicht aussetzen. Dann kommen die Ergebnisse vom CT. Eine Notoperation ist angesagt, die einen Darmverschluss beheben muss. Hektisch wird er auf die OP vorbereitet. Zwischendurch kommt über die Lautsprecheranlagen die Durchsage “Nordpol Zi 271!”. Die Ärzte und Schwestern lassen alles stehen und liegen und stürmen los. Später erzählt man sich auf Station, dass die Hilfe zu spät kam. Ein Patient konnte nicht reanimiert werden. Die Familie war gerade zu Besuch gewesen. Im Krankenhaus kommen sich Tod und Leben näher als sonst.
Samstag, 5. Juni 2010
Krankenhaus aus der Bett-Perspektive
Die Abflüge werden auf dem Airport in Lemberg tatsächlich mit Blechschildern ausgehängt. Den Flug mit Carpat Air gibt es. Auf dem Check-in Schalter steht kein Computer. Eine nette Dame sucht meinen Namen in einer ausgedruckten Liste, macht einen Haken und schreibt meine Bordkarte per Hand. Mein Gepäck wandert im nächsten Raum durch die Röntgenmaschine und ich nehme es selbst wieder in Empfang (!) um es durch die Halle an eine Luke in der Wand zu bringen, durch die es ein Angestellter auf den draußen abgestellten Gepäckwagen wuchtet. So beschaulich kann ein internationaler Flughafen sein.
Die Propeller an zwei Rolls Royce Motoren machen genügend Wind um die kleine Maschine in den morgendlichen Himmel zu heben. Es geht über eine Puszta-Landschaft zunächst nach Südwesten. In Timisoara wartet der Anschlussflug nach Stuttgart - ebenfalls eine kleine Propeller-Maschine. Die niedrige Flughöhe lässt die Landschaft genießen. Eigentlich könnte es ein schöner Flug sein, wenn da nicht das Fieber und die Gliederschmerzen wären und die beunruhigenden Gedanken, dass es sich wohl doch um Schlimmeres als nur eine Grippe handelt.
Nach der pünktlichen Landung in Stuttgart hört die Beschaulichkeit auf. An der Passkontrolle warten gefühlte 500 Leute vor mir. Das kann dauern. Als ich endlich durch bin, wird der Carpat-Air Flug schon gar nicht mehr angezeigt an den Gepäckbändern. Meinen Koffer bekomme ich doch noch und draußen erwartet mich Claudia mit den Kindern. Süß: sie haben beide eine Rose in der Hand um den kranken Papa willkommen zu heißen. Doch die heiße Sonne hat die Rosen schon geknickt und sie sehen so krank aus wie ich. Wir fahren zu meinen Schwiegerelten.
Die Servicespalte des Schwarzwälder Boten weist einen Orthopäden als Notarzt aus für dieses Wochenende. Meine Schwiegermutter winkt ab. Zu dem braucht ihr nicht zu gehen. Morgen hat ihre Hausärztin den Notdienst. Die würde sie empfehlen. Da ich ohnehin mit stationärer Behandlung meiner vermeintlichen Lungenentzündung rechne, gehe ich doch zum Orthopäden - wegen der Einweisung in das Krankenhaus. Mit Stolz zeigt er mir, dass er die kyrillischen Buchstaben auf den Medikamenten entziffern kann, die man mir mitgegeben hat. Beim Abhören meiner Lunge findet er nichts Konkretes. Dann verabschiedet sich der Arzt von der Schulmedizin und bittet mich auf seiner Liege Platz zu nehmen. Ich soll mein Knie anwinkeln und er drückt dagegen und stellt mir - oder meinem Knie einige Fragen. Anhand der Körperspannung will er die Wahrheit herausfinden. Einen Finger auf den Lungenpunkt - und “ja” ich habe eine Lungenentzündung. Dann nimmt er eine Kapsel des ukrainischen Antibiotikums und raspelt mit seinem Schweizer Taschenmesser ein paar Krümel der Außenhülle auf meine Zunge. Mein Knie bzw. meine Körperspannung soll die nächste Frage beantworten. Ja, das Mittel wirkt. “Der Körper weiß mehr!” lautet seine Devise. Da hätte ich auch in der Ukraine zu einer Kräuterfrau gehen können - denke ich mir so - die hätte mir noch ein paar Tees oder warme Umschläge verordnet. Vorsichtig frage ich nach der Möglichkeit, in das Krankenhaus eingewiesen zu werden. “Das geht auch”, meint er und mit dem Überweisungsschein geht es zur Klinik in Nagold.
Hier hat mich die Schulmedizin wieder mit der Routine der Notaufnahme, EKG, Blutabnahme, Fiebermessen, Röntgen. Ergebnis: Die behandelnde Ärztin konnte auf der Röntgenaufnahme nichts dramatisches erkennen, wird mir ein Antibiotikum verordnen und mich nach Hause schicken. Doch sie will zunächst die Laborergebnisse meiner Blutwerte abwarten. Dann kommt sie mit bedenklicher Miene. Einige Blutwerte liegen so schief, dass sie mich nicht gehen lassen kann.
Nachdem ich meine Tasche in den Schrank platziert und mein Bett belegt habe, spüre ich kein Entsetzen, plötzlich im Krankenhaus gelandet zu sein. Vielmehr macht sich sogar Erleichterung breit. Vielleicht stimmt es ja: “Der Körper weiß mehr!” Tief drin weiß mein Körper wohl schon, dass es hier nicht um eine Infektion geht oder eine Lungenentzündung. Aber meine Gedanken wollen das nicht wahr haben.
Krankenhauszimmer habe ich oft betreten für Besuche und in den letzten Jahren als Taxifahrer, wenn ich Patienten abholen musste. Doch jetzt liege ich hier und starre an die Decke. Das hatte ich das letzte Mal vor vier Jahrzehnten.
Die Propeller an zwei Rolls Royce Motoren machen genügend Wind um die kleine Maschine in den morgendlichen Himmel zu heben. Es geht über eine Puszta-Landschaft zunächst nach Südwesten. In Timisoara wartet der Anschlussflug nach Stuttgart - ebenfalls eine kleine Propeller-Maschine. Die niedrige Flughöhe lässt die Landschaft genießen. Eigentlich könnte es ein schöner Flug sein, wenn da nicht das Fieber und die Gliederschmerzen wären und die beunruhigenden Gedanken, dass es sich wohl doch um Schlimmeres als nur eine Grippe handelt.
Nach der pünktlichen Landung in Stuttgart hört die Beschaulichkeit auf. An der Passkontrolle warten gefühlte 500 Leute vor mir. Das kann dauern. Als ich endlich durch bin, wird der Carpat-Air Flug schon gar nicht mehr angezeigt an den Gepäckbändern. Meinen Koffer bekomme ich doch noch und draußen erwartet mich Claudia mit den Kindern. Süß: sie haben beide eine Rose in der Hand um den kranken Papa willkommen zu heißen. Doch die heiße Sonne hat die Rosen schon geknickt und sie sehen so krank aus wie ich. Wir fahren zu meinen Schwiegerelten.
Die Servicespalte des Schwarzwälder Boten weist einen Orthopäden als Notarzt aus für dieses Wochenende. Meine Schwiegermutter winkt ab. Zu dem braucht ihr nicht zu gehen. Morgen hat ihre Hausärztin den Notdienst. Die würde sie empfehlen. Da ich ohnehin mit stationärer Behandlung meiner vermeintlichen Lungenentzündung rechne, gehe ich doch zum Orthopäden - wegen der Einweisung in das Krankenhaus. Mit Stolz zeigt er mir, dass er die kyrillischen Buchstaben auf den Medikamenten entziffern kann, die man mir mitgegeben hat. Beim Abhören meiner Lunge findet er nichts Konkretes. Dann verabschiedet sich der Arzt von der Schulmedizin und bittet mich auf seiner Liege Platz zu nehmen. Ich soll mein Knie anwinkeln und er drückt dagegen und stellt mir - oder meinem Knie einige Fragen. Anhand der Körperspannung will er die Wahrheit herausfinden. Einen Finger auf den Lungenpunkt - und “ja” ich habe eine Lungenentzündung. Dann nimmt er eine Kapsel des ukrainischen Antibiotikums und raspelt mit seinem Schweizer Taschenmesser ein paar Krümel der Außenhülle auf meine Zunge. Mein Knie bzw. meine Körperspannung soll die nächste Frage beantworten. Ja, das Mittel wirkt. “Der Körper weiß mehr!” lautet seine Devise. Da hätte ich auch in der Ukraine zu einer Kräuterfrau gehen können - denke ich mir so - die hätte mir noch ein paar Tees oder warme Umschläge verordnet. Vorsichtig frage ich nach der Möglichkeit, in das Krankenhaus eingewiesen zu werden. “Das geht auch”, meint er und mit dem Überweisungsschein geht es zur Klinik in Nagold.
Hier hat mich die Schulmedizin wieder mit der Routine der Notaufnahme, EKG, Blutabnahme, Fiebermessen, Röntgen. Ergebnis: Die behandelnde Ärztin konnte auf der Röntgenaufnahme nichts dramatisches erkennen, wird mir ein Antibiotikum verordnen und mich nach Hause schicken. Doch sie will zunächst die Laborergebnisse meiner Blutwerte abwarten. Dann kommt sie mit bedenklicher Miene. Einige Blutwerte liegen so schief, dass sie mich nicht gehen lassen kann.
Nachdem ich meine Tasche in den Schrank platziert und mein Bett belegt habe, spüre ich kein Entsetzen, plötzlich im Krankenhaus gelandet zu sein. Vielmehr macht sich sogar Erleichterung breit. Vielleicht stimmt es ja: “Der Körper weiß mehr!” Tief drin weiß mein Körper wohl schon, dass es hier nicht um eine Infektion geht oder eine Lungenentzündung. Aber meine Gedanken wollen das nicht wahr haben.
Krankenhauszimmer habe ich oft betreten für Besuche und in den letzten Jahren als Taxifahrer, wenn ich Patienten abholen musste. Doch jetzt liege ich hier und starre an die Decke. Das hatte ich das letzte Mal vor vier Jahrzehnten.
Donnerstag, 3. Juni 2010
Beim Arzt in der Ukraine - die Stunde der (halben) Wahrheit
Der Fahrer des Seminars lenkt den Kleinbus über schlammige Wege durch ein Klinikgelände. Mit der Schulter hat er sein Handy an das Ohr geklemmt und empfängt von einer Frauenstimme die Wegbeschreibung. Noch um einen Block und dann eine verschlossene Tür. Das war die falsche. Nochmals zurück und auf die andere Seite dieses Gebäudes. Dort öffnet sich eine Tür und eine Krankenschwester erscheint - eine alte Bekannte des Fahrer. Über sie hat er den Arztermin organisiert. Ich bin gespannt. Nachdem meine Kur keine Verbesserung gebracht hatte, habe ich schweren Herzens in dieses Abenteuer eingewilligt. Es geht einen langen Gang entlang. Der beißende Geruch von billigem Desinfektionsmittel bleibt aus, auf den ich mich eingestellt hatte. Dann heißt es warten. Eine junge Ärztin erscheint und öffnet ihr Behandlungszimmer. Obwohl auch andere warten, sind wir gleich dran. Oleg übersetzt und ich werde nach allen Regeln der Kunst untersucht. Beim Abhören der Lunge stellt die Ärztin ein Geräusch fest. Sie verordnet mir eine ganze Reihe von weiterführenden Untersuchungen. Oleg notiert fleißig und lässt unauffällig ein paar Scheine über den Tisch wandern.
Zuerst geht es zum Röntgen. Das Wartezimmer sitzt voll von alten Babuschkas und einigen jungen, athletischen Herren. Wenn man von den vielen Aufschriften und Anweisungen am Anmeldeschalter absieht, die für mich unleserlich bleiben, könnte diese Röntgenabteilung auch irgendwo im Westen stehen. Nur einen streunenden Hund hätte man bei uns nicht herein gelassen. Mein Röntgenbild wird nicht erst auf Zelluloid gebannt, sondern erscheint sofort auf einem Computerbildschirm. Der behandelnde Arzt deutet auf eine Stelle unten im linken Lungenflügel und malt eine Skizze auf einen Notizzettel. Einen offiziellen Befund gibt es nicht - nur wieder die Geldscheine, die in die Kitteltasche des Arztes wandern. Beim CT läuft es ähnlich. Der Arzt sieht Bedenken wegen meiner Leber und kritzelt ebenfalls einige Bemerkungen auf einen Schmierzettel. Dann geht es zurück zur behandelnden Ärztin. Für sie ist die Diagnose klar: Lungenentzündung. Sie will mich stationär einweisen. Auf die Frage, ob diese Behandlung dann mit offizieller Rechnung bezahlt und ordentlich protokolliert werden kann, weiß sie keine sichere Antwort und greift zum Telefonhörer. Die zuständige Person ist nicht erreichbar. Zwei Wochen müsste ich rechnen für die Behandlung. Damit wäre klar, dass ich die restlichen Vorlesungen auch verpassen würde. Also macht nur ein baldiger Flug nach Hause Sinn. Man verschreibt mir einen großen Packen Medizin, der mich für die Reise über Wasser halten soll. Oleg bezahlt und wir sind draußen. Nein, unter den Umständen stationär behandelt werden, das kann ich mir nicht vorstellen.
Wer Lust hat über das deutsche Gesundheitswesen zu schimpfen, kann hier in der Ukraine geheilt werden. Die medizinische Versorgung wird für die Bevölkerung kostenlos angeboten. Das klingt zunächst gut - funktioniert aber nicht. Die Ärzte leben chronisch unterbezahlt und haben immer eine offene Hand für Nebeneinnahmen. Wer den offiziellen Weg zum Arzt beschreitet, kann schnell mal ein halbes Jahr auf einen Termin warten. Vermögende zahlen schon im Voraus an ihren Hausarzt ein jährliches Honorar und stellen auf diese Weise sicher, dass sie bei Bedarf gleich behandelt werden, so wird erzählt. Wer Dollars zur Verfügung hat, kann es sich leisten, krank zu werden. Doch wehe dem, der auf die Wohltaten von Vater Staat angewiesen ist.
Für mich zeigt sich jetzt als Vorteil, dass mein kleines Stadtrand-Motel über eine gute Internetverbindung verfügt. An der Rezeption erfahre ich “sechs mal die sechs” als Passwort und schon bin ich drin mit meinem kleinen Netbook. Keine zusätzliche Rechnung, keine weiteren Fragen. Per Skype rufe ich bei der Lufthansa an. Sie könnten mich auf den nächsten Flug morgen buchen - für den stolzen Aufpreis von über 500,- Euro. Ein Anruf bei der Versicherung zeigt, dass nicht ganz zu klären ist, ob diese Summe übernommen würde. Es gibt Alternativen. Eine rumänische Fluggesellschaft, von der ich allerdings zuvor nie etwas gehört hatte, bietet einen Flug an sogar nach Stuttgart, was mir viel gelegener käme. Der Preis steigt bei jeder neuen Abfrage. Ich rufe zur Sicherheit John Vogt an. Er kennt die Airline nicht. Als ich erneut die Webseite der rumänischen Airline aufrufen will, lande ich bei “Carpet Air” - die fliegenden Teppiche einer Fluggesellschaft aus dem Libanon. Das wird ja immer skurriler. Doch, richtig, die Rumänen heißen “Carpat Air” und würden mich erst in die Karpaten fliegen und dann mit einem Anschlußflug nach Stuttgart. Schließlich zücke ich meine Kreditkarte, tippe die Nummer ein und drücke auf “buchen”. Eine e-mail als Bestätigung folgt. Das wars. Habe ich jetzt wirklich einen Flug für morgen gebucht, oder nur meine Kreditkartendaten an irgendwelche Schwindler in Osteuropa geschickt? Nun, das wird sich morgen auf dem Flughafen zeigen. Ein etwas mulmiges Gefühl bleibt.
Am Abend bin ich nochmals bei Vogts eingeladen zum Abendessen. Der Abschied ist herzlich aber etwas schwermütig. Oleg hat dankenswerter Weise die Aufgabe übernommen, mich am nächsten Morgen früh schon um vier am Hotel abzuholen und die 100 km nach Lemberg zum Flughafen zu bringen - was bei den Straßenverhältnissen nicht in einer Stunde erledigt ist.
Zuerst geht es zum Röntgen. Das Wartezimmer sitzt voll von alten Babuschkas und einigen jungen, athletischen Herren. Wenn man von den vielen Aufschriften und Anweisungen am Anmeldeschalter absieht, die für mich unleserlich bleiben, könnte diese Röntgenabteilung auch irgendwo im Westen stehen. Nur einen streunenden Hund hätte man bei uns nicht herein gelassen. Mein Röntgenbild wird nicht erst auf Zelluloid gebannt, sondern erscheint sofort auf einem Computerbildschirm. Der behandelnde Arzt deutet auf eine Stelle unten im linken Lungenflügel und malt eine Skizze auf einen Notizzettel. Einen offiziellen Befund gibt es nicht - nur wieder die Geldscheine, die in die Kitteltasche des Arztes wandern. Beim CT läuft es ähnlich. Der Arzt sieht Bedenken wegen meiner Leber und kritzelt ebenfalls einige Bemerkungen auf einen Schmierzettel. Dann geht es zurück zur behandelnden Ärztin. Für sie ist die Diagnose klar: Lungenentzündung. Sie will mich stationär einweisen. Auf die Frage, ob diese Behandlung dann mit offizieller Rechnung bezahlt und ordentlich protokolliert werden kann, weiß sie keine sichere Antwort und greift zum Telefonhörer. Die zuständige Person ist nicht erreichbar. Zwei Wochen müsste ich rechnen für die Behandlung. Damit wäre klar, dass ich die restlichen Vorlesungen auch verpassen würde. Also macht nur ein baldiger Flug nach Hause Sinn. Man verschreibt mir einen großen Packen Medizin, der mich für die Reise über Wasser halten soll. Oleg bezahlt und wir sind draußen. Nein, unter den Umständen stationär behandelt werden, das kann ich mir nicht vorstellen.
Wer Lust hat über das deutsche Gesundheitswesen zu schimpfen, kann hier in der Ukraine geheilt werden. Die medizinische Versorgung wird für die Bevölkerung kostenlos angeboten. Das klingt zunächst gut - funktioniert aber nicht. Die Ärzte leben chronisch unterbezahlt und haben immer eine offene Hand für Nebeneinnahmen. Wer den offiziellen Weg zum Arzt beschreitet, kann schnell mal ein halbes Jahr auf einen Termin warten. Vermögende zahlen schon im Voraus an ihren Hausarzt ein jährliches Honorar und stellen auf diese Weise sicher, dass sie bei Bedarf gleich behandelt werden, so wird erzählt. Wer Dollars zur Verfügung hat, kann es sich leisten, krank zu werden. Doch wehe dem, der auf die Wohltaten von Vater Staat angewiesen ist.
Für mich zeigt sich jetzt als Vorteil, dass mein kleines Stadtrand-Motel über eine gute Internetverbindung verfügt. An der Rezeption erfahre ich “sechs mal die sechs” als Passwort und schon bin ich drin mit meinem kleinen Netbook. Keine zusätzliche Rechnung, keine weiteren Fragen. Per Skype rufe ich bei der Lufthansa an. Sie könnten mich auf den nächsten Flug morgen buchen - für den stolzen Aufpreis von über 500,- Euro. Ein Anruf bei der Versicherung zeigt, dass nicht ganz zu klären ist, ob diese Summe übernommen würde. Es gibt Alternativen. Eine rumänische Fluggesellschaft, von der ich allerdings zuvor nie etwas gehört hatte, bietet einen Flug an sogar nach Stuttgart, was mir viel gelegener käme. Der Preis steigt bei jeder neuen Abfrage. Ich rufe zur Sicherheit John Vogt an. Er kennt die Airline nicht. Als ich erneut die Webseite der rumänischen Airline aufrufen will, lande ich bei “Carpet Air” - die fliegenden Teppiche einer Fluggesellschaft aus dem Libanon. Das wird ja immer skurriler. Doch, richtig, die Rumänen heißen “Carpat Air” und würden mich erst in die Karpaten fliegen und dann mit einem Anschlußflug nach Stuttgart. Schließlich zücke ich meine Kreditkarte, tippe die Nummer ein und drücke auf “buchen”. Eine e-mail als Bestätigung folgt. Das wars. Habe ich jetzt wirklich einen Flug für morgen gebucht, oder nur meine Kreditkartendaten an irgendwelche Schwindler in Osteuropa geschickt? Nun, das wird sich morgen auf dem Flughafen zeigen. Ein etwas mulmiges Gefühl bleibt.
Am Abend bin ich nochmals bei Vogts eingeladen zum Abendessen. Der Abschied ist herzlich aber etwas schwermütig. Oleg hat dankenswerter Weise die Aufgabe übernommen, mich am nächsten Morgen früh schon um vier am Hotel abzuholen und die 100 km nach Lemberg zum Flughafen zu bringen - was bei den Straßenverhältnissen nicht in einer Stunde erledigt ist.
Dienstag, 1. Juni 2010
Zu krank für Vorlesungen
Das Seminar St. Sophia der Ukrainischen Lutherischen Kirche befindet sich weit außerhalb der Stadt Ternopil in ländlicher Umgebung. Pastor John Vogt, ein alter Bekannter, hatte mich am Flughafen abgeholt und wir waren gerade noch zum Schluss der Vorlesungen angekommen. Die Zeit reicht noch zur Begrüßung und zum Bekanntmachen. Es gibt einige bekannte Gesichter, die meisten Pastoren kenne ich nicht. Ich habe die Wahl, entweder hier im Seminargebäude auf einer Luftmatratze zu nächtigen oder mit in die Stadt zu fahren und bei Vogts zu Gast zu sein. Die Entscheidung fällt mir nicht leicht. Der Kontakt zu den anderen Pastoren und der Austausch nach den Vorlesungen wird wohl am besten gelingen wenn ich vor Ort wohne. Doch dann wird bekannt, dass die Wasserversorgung in diesem Ortsteil zusammengebrochen ist. Man hat heute bei den Anwohnern Geld gesammelt, um die defekte Pumpenanlage reparieren lassen zu können. Das kann dauern. Die Infrastruktur hier liegt weit entfernt von den Standards, an die wir uns gewöhnt haben. Auch der Strom kommt und geht, wie die maroden Leitungen es gerade erlauben. Ich halte mich nicht gerade für einen Warmduscher, aber ganz ohne fließend Wasser und das womöglich eine Woche lang - da ziehe ich doch die Einladung zu Familie Vogt vor.
Der Vorlesungstag beginnt mit einer Andacht, die auf Englisch gehalten und dann ins Russische übersetzt wird. Auch die Vorlesung läuft zweisprachig. Prof Brug pausiert an jedem Satz und lässt die Übersetzerin ihre Arbeit tun. Auf diese Weise wird die Sprachbarriere überbrückt - jedoch das Zuhören erschwert. Beschwerlich wird es für mich, weil die Wirkung von Paracetamol nachlässt. Ich hatte gemeint jetzt auf das Medikament verzichten zu können. Doch das war ein Irrtum. Die Gliederschmerzen kommen zurück. Der Rücken schmerzt, sodass ich kaum sitzen kann. Die Konzentration lässt zu wünschen übrig und ich sehne mich nach den Pausen, in denen ich mich lang legen kann. Das kann ja heiter werden. Als ich in der folgenden Nacht kaum schlafen kann, entschließe ich mich zu einem radikalen Schritt. Ich brauche drei Tage ein Bett in dem ich mich ausschlafen und die was-immer-auch-für-eine Grippe ausschwitzen kann. Es muss in der Stadt doch erschwingliche Hotelzimmer oder Pensionen geben. Schnell ist ein Zimmer für mich gefunden. Ich klinke mich also aus den Vorlesungen dieser Woche aus in der Hoffnung, für das Programm am Wochenende und besonders dann in der zweiten Vorlesungswoche fit zu sein.
Oleg, der ukrainische Ortspastor und Sekretär am Seminar, weist mich bedeutungsvoll darauf hin, dass es in Ternopil durchaus gute Ärzte gibt und dass er mir jederzeit einen Termin organisieren kann. Der Gedanke, hier im Ausland nun doch zum Arzt gehen zu müssen, sollte schnell jede Krankheit vertreiben. Also verlasse ich mich auf das Paracetamol, dass ich hier in der Apotheke erstehen konnte und auf zwei oder drei Tage Ruhe und meine Schwitzkur unter der Bettdecke.
Der Vorlesungstag beginnt mit einer Andacht, die auf Englisch gehalten und dann ins Russische übersetzt wird. Auch die Vorlesung läuft zweisprachig. Prof Brug pausiert an jedem Satz und lässt die Übersetzerin ihre Arbeit tun. Auf diese Weise wird die Sprachbarriere überbrückt - jedoch das Zuhören erschwert. Beschwerlich wird es für mich, weil die Wirkung von Paracetamol nachlässt. Ich hatte gemeint jetzt auf das Medikament verzichten zu können. Doch das war ein Irrtum. Die Gliederschmerzen kommen zurück. Der Rücken schmerzt, sodass ich kaum sitzen kann. Die Konzentration lässt zu wünschen übrig und ich sehne mich nach den Pausen, in denen ich mich lang legen kann. Das kann ja heiter werden. Als ich in der folgenden Nacht kaum schlafen kann, entschließe ich mich zu einem radikalen Schritt. Ich brauche drei Tage ein Bett in dem ich mich ausschlafen und die was-immer-auch-für-eine Grippe ausschwitzen kann. Es muss in der Stadt doch erschwingliche Hotelzimmer oder Pensionen geben. Schnell ist ein Zimmer für mich gefunden. Ich klinke mich also aus den Vorlesungen dieser Woche aus in der Hoffnung, für das Programm am Wochenende und besonders dann in der zweiten Vorlesungswoche fit zu sein.
Oleg, der ukrainische Ortspastor und Sekretär am Seminar, weist mich bedeutungsvoll darauf hin, dass es in Ternopil durchaus gute Ärzte gibt und dass er mir jederzeit einen Termin organisieren kann. Der Gedanke, hier im Ausland nun doch zum Arzt gehen zu müssen, sollte schnell jede Krankheit vertreiben. Also verlasse ich mich auf das Paracetamol, dass ich hier in der Apotheke erstehen konnte und auf zwei oder drei Tage Ruhe und meine Schwitzkur unter der Bettdecke.
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