Sonntag, 21. November 2010

Ewigkeit im Herzen - und in den Genen

In den evangelischen Gottesdiensten wurden heute am Toten- oder Ewigkeitssonntag die Namen der Verstorbenen des vergangenen Jahres verlesen. Sie sind uns vorausgegangen in die Ewigkeit. In vielen Fällen beendete irgend eine Form von  Krebs das Leben. Das ist der Gang der Dinge - so habe ich bisher gedacht. Doch in diesem Jahr wäre mein Name beinahe mit verlesen worden. Ein kleiner Fehler der Ärzte hätte ausgereicht.

Welche Gefühle und Gedanken weckt die Erinnerung an die Ewigkeit? "Ewigkeit" macht kein kurzweiliges Thema für den Stammtisch und es kann die Stimmung auf einer Party ruinieren. In einem alten Kirchenlied zum Ewigkeitssonntag heißt es: "O Ewigkeit, du Donnerwort!" Die Erinnerung an den Tod und was danach kommt, weckt uns auf aus dem Alltagstrott wie ein plötzliches Donnergrollen an einem heißen Sommertag. Einmal werde ich mich verantworten müssen vor dem Schöpfer und Herrn der Welt. Dann werde ich auch die Rechnungen begleichen müssen, um die ich mich hier in diesem Leben gedrückt habe.

"Ach, mit dem Tod ist alles aus!" so verdrängt man die donnernde Stimme, die uns mahnt: "Bist du bereit für die Ewigkeit?" Oder man schiebt den Gedanken auf die lange Bank: "Darum kümmere ich mich, wenn ich alt geworden bin!" Aus dem Ewigkeitssonntag wurde auf diese Weise der Totensonntag. Man erinnert nicht so gern an die Ewigkeit, sondern schaut zurück auf das Leben der Verstorbenen und auf Glück und Leid, das sie durchlebten. Doch die Mahnung der Ewigkeit lässt sich nicht verdrängen. Gott hat die Ewigkeit in unser Herz gelegt - so heißt es im Prediger Salomo (Pred 3, 11). Tief in unserem Denken liegt das Wissen verwurzelt: Die siebzig oder achtzig Jahre auf diesem Planeten können nicht alles sein. Es muss noch mehr geben.

Eine Generation nach dem Lied "O Ewigkeit, du Donnerwort!" nahm sich Kaspar Heunisch das Lied von Johann Rist erneut vor und dichtete es um. "O Ewigkeit, du Freudenwort" sang er. Und beides ist wahr. Zwischen beiden Liedern liegt die Begegnung mit Jesus. Im Licht seines Kreuzes erscheint die Ewigkeit nicht mehr als der Ort der Strafe. Jesus hat mit seinem Tod am Kreuz das Sühnegeld bezahlt und die Tür zum Paradies wieder geöffnet. Im Vertrauen auf ihn  bedeutet "Ewigkeit" nicht mehr: "Ich werde büßen müssen!" Für alle, die an Jesus glauben bedeutet Ewigkeit: Ich darf bei Gott leben. Jesus schenkt mir ein gültiges Visum für ein Land ohne Leid und Not, ohne Tumore und langsames Sterben.

Gott hat die Ewigkeit in unser Herz gelegt. Unser Herz weiß um das Leben ohne Ende nach dem Tod. Und vielleicht kann man im Hinblick auf so viele Fehlschläge in der Krebsforschung und -behandlung sagen: Gott hat die Ewigkeit auch in unsere Körperzellen und Gene gelegt. Bisher konnte weder der Grund für das Altern des Menschen gründlich aufgeklärt werden noch die Ursache für das wilde, zerstörerische Zellwachstum in Tumoren. Einerseits altern Körperzellen und sterben ab und mit ihnen wird der gesamte Organismus dem Altern und Sterben unterworfen. Andererseits beginnen gerade im Alter einige Körperzellen wild zu wachsen und entziehen sich der Steuerung des gesunden Organismus - mit ebenso zerstörerischen Folgen. Die Ursachen konnten bisher kaum erforscht werden und damit bleiben die Möglichkeiten zur Heilung begrenzt. Es mag unwissenschaftlich klingen - doch vielleicht lässt sich hier erkennen, dass wir an die Grenze stoßen zur Ewigkeit. Ursprünglich waren unsere Körper gemacht für die Unsterblichkeit. Doch dann wurde gewissermaßen eine Sperre eingefügt. Damit sind unsere sterblichen Hüllen der Vergänglichkeit unterworfen. Erst in der Ewigkeit, erst nach dem Tod werden wir einen unsterblichen Körper wiederbekommen.

Hier liegt der Trost für alle Krebskranken und -opfer, für die die Medizin noch keine Hilfe bieten kann. Krankheit und Tod bilden in unserer Welt das Tor zum Leben ohne Ende - zur Ewigkeit. Dieser Gedanke lässt sich denken, denn Gott hat die Ewigkeit in unser Herz gelegt. Doch der Gedanke fällt mir schwer. Zu sehr klebe ich an diesem Leben. Zu schnell überwältigt mich die Furcht vor dem strafenden Gott, dem ich in der Ewigkeit begegnen werden. Zudem fällt es schwer, an Gottes Vergebung zu glauben und an die Eintrittskarte für die himmlische Festtafel, die Jesus uns ganz umsonst schenken will.

In der letzten Strophe eines Abendliedes heißt es: "O Ewigkeit, so schöne, mein Herz an dich gewöhne." Es braucht Gewöhnung, dass ich meine Tage gehen kann mit einem sehnsuchtsvollen Blick auf die Ewigkeit.  Es mag ironisch klingen - aber eine Krankheiten wie Krebs kann helfen bei diesem Gewöhnungsprozess. Diese Diagnose mahnt unüberhörbar: deine Tage sind gezählt. Um so mehr freue ich mich über die Hoffnung, an die der Ewigkeitssonntag erinnert. Die Tür zu Gottes ewiger Welt steht offen. So viele sind mir bereits im Glauben vorausgegangen. Einmal werden auch ich die Pracht und Herrlichkeit sehen können, die Gott für seine Kinder vorbereitet hat. Mit dieser Hoffnung vor Augen, kann ich dankbar die Tage leben, die Gott mir noch auf dieser Welt gibt. Durch das Können der Ärzte und durch die Möglichkeiten der modernen Medizin habe ich möglicherweise noch einige Jahre oder sogar Jahrzehnte hinzu geschenkt bekommen. Das ist Zeit, die ich nutzen kann für die Aufgaben, in die Gott mich stellt. Aber die Hoffnung und Sehnsucht greifen weiter voraus, dorthin wo ich in der Ewigkeit zu Hause sein werde. Und sollte diese Krankheit wiederkommen oder eine andere sich einstellen, dann rückt die Reise nach Hause näher.

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